SFB-Plenum Januar: Elif Özmen (Gießen)
15. Januar 2026
12:00 – 14:00 Uhr
US-S 002 (Seminarzentrum Obergraben)
Im Januar ist Elif Özmen, Professorin für praktische Philosophie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, zu Gast in unserem Plenum und hält einen Vortrag mit dem Titel „Problematische Popularität: Wissenschaftsfreiheit als umkämpfter Begriff“.
Wer die Freiheit der Wissenschaft beschneidet, der behindert die wissenschaftliche Tätigkeit als solche. Denn ohne diese Freiheit kann Wissenschaft die ihr eigentümlichen Ziele – die Ermittlung signifikanter Wahrheiten, das Verstehen, Erklären und Begründen natürlicher und lebensweltlicher Phänomene, die Entwicklung adäquater Theorien und darauf gründender praktischer Anwendungen – nicht gut realisieren. Über die Eigengesetzlichkeit der wissenschaftlichen Erkenntnissuche und den Wert der Wissenschaftsfreiheit herrscht gegenwärtig große Einigkeit. Uneinigkeit besteht dagegen bezüglich der Grundlagen, Gefährdungen und Grenzen akademischer Freiheitsrechte. Das zeigt sich besonders deutlich in der öffentlichen, außerakademischen Debatte um die „Politisierung“ und „Moralisierung“ der Wissenschaft, in der das vielbeschworene Ideal der Wissenschaftsfreiheit zu einem umkämpften Begriff geworden ist.
Ein guter Anlass, um sich gründlicher mit einer Reihe von Fragen zu beschäftigen, die das populäre und doch umstrittene Gut der Wissenschaftsfreiheit betreffen, etwa: Mit welchen Vorstellungen von Wissen und Wahrheit, Wissenschaft und Universität ist die Idee einer freien Wissenschaft verknüpft? Welche Erwartungen und Hoffnungen werden mit Wissenschaftsfreiheit verbunden, seien sie wissenschaftsintern (Wahrheit, Objektivität, Wissensfortschritt) oder -extern (Nützlichkeit, Anwendbarkeit, Bildung, politische, soziale, moralische Verbesserung)? Ist Wissenschaftsfreiheit gleichzusetzen mit der Wertefreiheit oder Neutralität der Wissenschaft? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Freiheit der Wissenschaft und der Freiheitlichkeit der Gesellschaft? Wie ist das öffentliche Interesse an den Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit zu erklären? Welche Formen von „Politisierung“ und „Moralisierung“ sind eigentlich schlecht (oder wohlmöglich doch gut) für die Wissenschaft?
Elif Özmen ist Professorin für Philosophie mit den Schwerpunkten theoretische Ethik und politische Philosophie an der Justus Liebig Universität Gießen. Sie studierte Philosophie, Wissenschaftsgeschichte und Deutsche Philologie in Göttingen und Frankfurt am Main und wurde an der Humboldt Universität zu Berlin 2004 promoviert mit einer Arbeit zum Verhältnis von Moral, Rationalität und dem guten Leben. Die Habilitation an der LMU München (2010) widmete sich Fragen der Wahrheit und Rechtfertigung in der politischen Philosophie des Liberalismus.
Zu ihren derzeitigen Forschungsinteressen gehört die vielzitierte Krise der liberalen Demokratie (sie versucht gegen alle Wahrscheinlichkeit noch immer, den Liberalismus gegen seine Verächter zu verteidigen, etwa in Was ist Liberalismus? (2023). Außerdem schreibt sie an einer Monographie zur Freiheit der Wissenschaft, erste Überlegungen hierzu finden sich in Wissenschaftsfreiheit im Konflikt (2021). Außerdem interessiert sie sich für die Gewaltaversion und Gewaltvergessenheit, die die Geschichte der Philosophie der Gerechtigkeit durchzieht. Zu diesem Thema forscht sie 2026 als Senior Fellow am Wissenschaftskolleg Greifswald.