Eine Beobachtung der Beobachtung der Demokratie
Online- Gastvortrag von Philip Manow
10. Juni 2021
12:00 c.t. - 14:00 Uhr
Das Zoom-Meeting ist ab 12:00 Uhr geöffnet.
Wir leben in politisch unruhigen Zeiten, die vom Aufstieg autoritärer Führerfiguren und populistischer Parteien geprägt sind. In der populären politischen Gegenwartsdiagnostik wird dies zum Generalbefund einer schweren Demokratiekrise verallgemeinert. Die Befunde lauten: Demokratien sterben (Levitsky and Ziblatt 2018), sie enden (Runciman 2018), wir leben sowieso schon seit längerem in post‐demokratischen Zeiten (Crouch 2008, 2021). Die Befunde werden mit Messungen unterlegt, die den qualitativen Befund quantitativ zu härten scheinen. Methodologisch ist dies offenkundig fragwürdig. Nicht die Messergebnisse leiten die Diagnostik an; die Diagnose entscheidet über die Relevanz von Messergebnissen. Nicht nur legt sich die populäre politologische Gegenwartsdiagnostik hierüber nicht systematisch Rechenschaft ab; es steht zu befürchten, dass die quantifizierende Popularisierung der Postdemokratie als self fulfilling prophecy wirken könnte.
Philip Manow ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen. 2004 initiierte Manow die politikwissenschaftliche Datensammlung ParlGov, die er seitdem mit Holger Döring betreibt. Die Dateninfrastruktur enthält vergleichbare Daten aus 39 westlichen Demokratien von rund 1700 Parteien, 990 Wahlen und 1500 Regierungen (Stand 2019). Sie wird konstant weiter geführt. Am Wissenschaftskolleg Berlin startete er 2014 das Projekt „Dinge und Orte der Demokratie“, in dem es darum geht, was die Praxis der Politik und die Mittel der Politik über die Politik aussagen. Zu diesem Projekt legte Manow die Studie vor: Die zentralen Nebensächlichkeiten der Demokratie. Von Applausminuten, Föhnfrisuren und Zehnpunkteplänen, Reinbek bei Hamburg 2017. An Monographien erschienen zuletzt eine Studie zum Populismus (Die Politische Ökonomie des Populismus. Berlin 2018) sowie zu Problemlagen der gegenwärtigen Demokratie ((Ent-)Demokratisierung der Demokratie. Berlin 2020)