SFB-Plenum Dezember: Andrea Geier (Trier)
19. Dezember 2024
12:00 – 14:00 Uhr
US-S 002 (Seminarzentrum Obergraben)
Im Dezember ist Prof. Dr. Andrea Geier (Universität Trier) zu Gast in unserem Plenum und hält einen Vortrag mit dem Titel „Populär und kontraproduktiv: Problembeschreibungen zur Wissenschaftsfreiheit“.
Debatten über Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit werden regelmäßig emotionalisiert geführt und erscheinen gleichzeitig rhetorisch ritualisiert. Eindrücklich zeigt sich dies an der erstaunlichen Karriere des Begriffs „Cancel Culture“. Darin verbinden sich ein großes Erregungs- und Mobilisierungspotenzial mit einer geradezu absurd erscheinenden, da unvermeidlich unproduktiven Clusterung unterschiedlichster Konfliktanlässe und -themen. Dies gilt übrigens für alle Felder, in denen er Verwendung findet, also Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit.
„Cancel Culture“ ist ein besonders prominentes Beispiel für populäre Problembeschreibungen zu Wissenschaftsfreiheitsgefährdungen, die ich im Vortrag behandeln werde. Dabei möchte ich aufzeigen, dass diese nicht nur nicht hilfreich sind, sondern geradezu irreführend und vor allem kontraproduktiv, wenn es darum gehen soll, tatsächlichen Gefährdungen und Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit Aufmerksamkeit zu verschaffen und sie zu bearbeiten. Ein zentraler Mechanismus ist, dass Konflikte zumeist auf (scheinbare) Widersprüche zwischen Werteorientierung und Wissenschaftsfreiheit reduziert werden. Ausgehend von Umfrageergebnissen zur Wissenschaftsfreiheit und zum Vertrauen in die Wissenschaft sind diese Beispiele auch ein Anlass, sich mit den Effekten problematischer Problembeschreibungen auf das Verständnis von Wissenschaft, die Wissenschaftsfreiheit und die Idee von Universität zu befassen – und, last but not least, zu überlegen, was wir irreführenden Inszenierungen von Konfliktkommunikationen entgegensetzen können
Andrea Geier ist seit 2009 Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Gender Studies an der Universität Trier und seit 2010 im Vorstand des Trierer Centrums für Postcolonial und Gender Studies (CePoG). Sie studierte und promovierte an der Universität Tübingen, arbeitete mehrere Jahre an der Universität Marburg und hatte seit 2011 u. a. drei Gastprofessuren in den USA. Zu ihren Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören deutschsprachige Gegenwartsliteratur, kultur- und literaturwissenschaftliche Geschlechterforschung und Postcolonial Studies, Erinnerungskultur, Antisemitismus, Rhetorik sowie medienspezifische Ästhetik.