Expertise, Aktivismus, Intellektualität und die demokratiegefährdende Verschmelzungen öffentlich-geistiger Handlungsrollen in der Pandemie
Gastvortrag von Caspar Hirschi (Uni St. Gallen)
24. Juni 2021
10:00 Uhr c.t.
Interessierte Mitglieder des SFB können sich bis Dienstag, den 22. Juni 2021, per E-Mail an juliane.biewald@student.uni–siegen.de für die Veranstaltung anmelden.
Die Teilnehmer:innen erhalten dann die Zeitungsartikel, die die Debatte dokumentieren, sowie den Zoom-Link für die Veranstaltung.
In der FAZ vom 9. März dieses Jahres hat der Historiker Caspar Hirschi deutschen Akteuren und Institutionen der wissenschaftlichen Politikberatung eine alarmierende Diagnose gestellt: In der Pandemie hätten sie sich von der Bundesregierung und von Oppositionsparteien als Legitimationsressourcen politischer Entscheidungen und ihrer Kritik instrumentalisieren lassen und auf diese Weise sowohl den Eigensinn des demokratischen Willensbildungsprozesses als auch das wissenschaftliche Prinzip des „organisierten Skeptizismus“ (Robert K. Merton) missachtet. Insbesondere die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sei in einer Stellungnahme vom 8. Dezember 2020, die einen scharfen Lockdown für wissenschaftlich zwingend geboten darstellte, eklatant aus ihrer bloß beratenden Rolle gefallen. Gerald Haug, der Präsident der Leopoldina, reagierte postwendend auf diesen Artikel und warf Hirschi die Verunglimpfung von Wissenschaftlern vor. Damit war der Streitwert einer Debatte über Expertise, Aktivismus und Intellektualität in der Pandemie gesetzt, den die AG 6 im Rückblick und in thematischer Weiterung hinsichtlich der gegenwärtigen gesellschaftpolitischen Rolle der Wissenschaftskommunikation mit Caspar Hirschi diskutieren wird.
Caspar Hirschi lehrt Allgemeine Geschichte an der Universität St. Gallen. Zu den Schwerpunkten seiner Forschung zählen Geschichte und Theorie des Nationalismus, die frühneuzeitliche Gelehrtenkultur, die Organisation wissenschaftlicher Institutionen sowie die Rollen des Kritikers, Experten und Intellektuellen seit der Aufklärung. Einschlägig zum Thema der Diskussion ist Hirschis viel beachtetes Buch: Skandalexperten, Expertenskandale: Zur Geschichte eines Gegenwartsproblems (Berlin 2018).