Der Beitrag untersucht die Notwendigkeit populärer Serienerzählungen, das Verhältnis von Serienfiktion und politischer Außenwelt immer wieder neu zu kalibrieren. Dazu bedienen sie sich häufig eines als Retcon (retroactive continuity) bekannten Erzählmechanismus, der es ihnen erlaubt, bereits Erzähltes aus der fiktionalen Welt zu löschen oder zu verändern und die Serienvergangenheit nachträglich zu erweitern. Das serieninhärente Bedürfnis nach andauernder Popularität und die Anforderung fortwährender Anpassung an politischen und gesellschaftlichen Wandel, so argumentiert der Beitrag, destabilisiert als prekäre Erinnerung (Serien-)Geschichte und bereitet den Nährboden für die Entstehung und Verbreitung von Verschwörungstheorien.

Der Beitrag zeigt, dass Superheld:innen im Hofstadterschen Sinn eine „force in politics“ darstellen, indem sie über ihre Funktion als populäre Massenunterhaltung hinaus Bedeutung für die Entstehung, Verbreitung und Popularisierung von Verschwörungstheorien haben. Er geht in seiner Analyse wie folgt vor:

1. Er bestimmt die Affinität von Verschwörungstheorien und der Serienpolitik von Superheld:innen.
2. Er beschreibt diese Affinität an zwei konkreten Fällen: der von Nick Spencer geschriebenen Comic-Miniserie Secret Empire (2017) und dem von Ed Brubaker verfassten Comic-Zyklus Captain America: Winter Soldier (2005–2009).
3. Er liest die Verbindung von Superheld:innencomics und der Stürmung des Kapitols in Washington DC am 6. Januar 2021 als Beispiel des von Muirhead und Rosenblum in A Lot of People Are Saying: The New Conspiracism and the Assault on Democracy (2019) beschriebenen Konspiratismus, der eine neue Form von Verschwörungstheorie im Zeitalter von sozialen Medien und digital proliferierenden populärseriellen Narrativen darstellt.

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Daniel Stein (2023): „Prekäre Erinnerung: Retcon und Verschwörungstheorien im Superheldencomic Captain America“, in: Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17/1 (Heft Verschwörung Denken, hg. von Noyan Dinçkal, Bärbel Kuhn, Matthias Weipert), S. 39-59.