Ein Verleger, ein Reihenherausgeber und ein (schmutziges) Gutachten: Der aufstrebende Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki möchte 1960 in der erfolgreichsten Reihe für wissenschaftliche Taschenbücher in der Bundesrepublik – rowohlts deutsche enzyklopädie – einen Band „Erzähler der DDR“ publizieren. Reihenherausgeber Ernesto Grassi hält das Manuskript für völlig untauglich. Und weil sein Verleger Heinz-Maria Ledig Rowohlt mit einer Veröffentlichung liebäugelt, muss Grassi drastische Worte wählen. Evaluation studies 1960: Verlagsgutachten gehören zu den bestgehüteten Geheimnissen der Verlagskommunikation, gerade weil sie machtvolle Selektionsinstrumente sind, die über Karrieren entscheiden. Sie geben Einblick in Entscheidungsabläufe und informelle Akteur-Netzwerke. Oft werden sie deshalb vernichtet. Hier hat sich ein äußerst aufschlussreiches im Archiv erhalten.

Döring, Jörg (2017): „‚Ja, lesen wir hier in der Gartenlaube.‘ Ernesto Grassi begutachtet Marcel Reich-Ranicki“, in: Merkur 71 (814), S. 81–89.