Mythos Paso­lini. Zum poli­ti­schen Nach­le­ben einer popu­lä­ren Figur

Workshop

1. November 2025
16:30 Uhr
Warburg-Haus Hamburg
Heilwigstr. 116
20249 Hamburg

Organisation:
Dr. Fabien Vitali
Dr. Benjamin Fellmann (Universität Hamburg – Warburg-Haus)

Workshop anlässlich des 50. Todestags von Pier Paolo Pasolini

Die Bilder vom Tatort in Ostia, wo Pier Paolo Pasolini in der Nacht vom 1. auf den 2. November 1975 ermordet wurde, haben sich im kollek­tiven Gedächt­nis einge­prägt wie eine Urszene: Immer wieder muss sie vergegen­wärtigt, immer wieder phan­tasiert werden. Sie bildet die Grund­lage für ein mythi­sches Narrativ, welches Pasolini wieder­aufleben lässt in der Aureole eines radikalen politi­schen Begeh­rens, das er mit seinem Leben bezahlen musste. Dabei schien die Vorstellung der gegen Pasolini einge­setzten Bruta­lität nicht anders ertrag­bar als in einer über­tragenen Form, durch die sein zermar­terter Körper zum Gegen­stand einer sozialen Praxis der Verehrung erhoben wurde. Die verstö­rende Dimen­sion des Ereig­nisses wurde somit über­führt in kultu­rell vertraute Kate­gorien, in einen christ­lichen Bestimmungs­zusammen­hang von Schuld, Opfer und Sühne. In der märtyro­logischen Figu­ration scheint somit auch ein Abwehr­mecha­nismus zur Geltung zu kommen gegen ein in Paso­linis Werk und Leben verfüg­bares Erkenntnis­poten­tial, das – wie Franco Fortini im seinem Nachruf sehr genau schrieb – „so manch erbärm­liche Hoff­nungen und Gewiss­heiten ein­stürzen ließe“.

Anlässlich des 50. Todestags wollen wir uns den Formen des Umgangs mit Pasolinis Ab- und Nach­leben, sowie mit den zu Grunde liegenden Problem­komplexen, noch einmal zuwenden. Aus­gangs­punkt bilden kurze Bei­träge zu aus­gewähl­ten Arbei­ten aus Kunst sowie Pop­kultur, die auf den Mythos Pasolini refe­rieren, diesen aber auch weiter­schrei­ben und popu­lari­sieren, bzw. in neue Medien über­tragen und so verändern. Der im SFB „Trans­formation des Popu­lären“ unter­suchten Doppel­wertig­keit des Trans­forma­tions­begriffs ent­sprechend, sollen indes nicht nur gegen­stands­imma­nente Verän­derungen, sondern auch die Verän­derungs­kraft, die vom popu­lären Gegen­stand selbst ausgeht, zur Diskussion stehen. Denn hat der Mythos Pasolini in den vergangenen 50 Jahren stets an Beach­tung hinzuge­wonnen, so entfaltet er inzwi­schen eine Eigen­dynamik, durch welche er unge­achtet inhalt­licher oder emischer Kriterien, allein Kraft seines popu­lären Status, gesell­schaft­liche Aus­wirkungen zeitigt. Davon zeugen nicht nur die Ein­zeich­nungen seiner Figur in den öffent­lichen Raum (Topo­nomastik, Street-Art), die Pasolini in der Art eines Orts­heiligen adressieren und eine bestehende geogra­phische Ordnung symbo­lisch doppeln. Auch die politi­schen Konflikte, welche die Popu­larisie­rung des Mythos mitführt, gilt es als Symptom einer den Kern sozialer Ordnungen verletzenden Dynamik zu vergegen­wärtigen.


Eine Veranstaltung des SFB 1472 in Kooperation mit dem Warburg-Haus und der Hamburger Galerie der abseitigen Künste.

Mit Beiträgen von: Gabriella Angheleddu (Hamburg), Sara Codutti (Rom), Karl-Heinz Dellwo (Hamburg), Benjamin Fellmann (Hamburg), Fabien Vitali (Siegen).