Wie populär kann Gegenkultur sein? Ein Gespräch über Jazz

Stephan Braese und Peter Kemper im Gespräch mit Jörg Döring
Ein Gespräch mit den Autoren der beiden wichtigsten und meistgelesenen deutschsprachigen Bücher über Jazz der letzten Jahre: Peter Kemper (The Sound of Rebellion. Zur politischen Ästhetik des Jazz. Ditzingen: Reclam 2023, mittlerweile 4. Auflage, 10.000 verkaufte Exemplare) und Stephan Brase (Cool. Jazz als Gegenkultur im westlichen Nachkriegsdeutschland. München: edition text & kritik 2024, 2. Auflage).


Wir sprechen über den Mythos von Jazz als genuin politischer Musik. Wie populär kann eine Gegenkultur sein? Warum ist Jazz der Soundtrack der Emanzipationsbewegung in den USA, des Kampfes der Afroamerikaner um Bürgerrechte? Warum ist in Westdeutschland nach 1945 Jazz als die Musik der Weltkriegs-Sieger und Besatzer bis 1960 die Musik einer existentialistisch gesonnenen Jugend?
Hier eine Playlist aller Musik-Titel, die in dem Gespräch eine Rolle gespielt haben (in der Reihenfolge ihrer Erwähnung). In den Shownotes ist vermerkt, in welchem Kapitel über welchen Track gesprochen wurde.
(00:00:00 – 00:08:29)
Einführung und Vorstellung
(00:08:30 – 00:12:49)
Affinitäten: Wie der Jazz Peter Kemper und Stephan Braese fand
- Archie Shepp: Attica Blues
- Cat Stevens: Father & Son
- Scott Joplin: Maple Leaf Rag
- Jaco Pastorius: Donna Lee
(00:12:50 – 00:17:29)
Cool. Jazz als Gegenkultur im westlichen Nachkriegsdeutschland und was Peter Kemper daran gut findet
- John Lee Hooker: Boom Boom (from: Burnin‘)
(00:17:30 – 00:23:03)
The Sound of Rebellion. Zur politischen Ästhetik des Jazz und was Stephan Braese daran gut findet
- Billie Holiday: Strange Fruit
- Art Blakey: Freedom Rider
(00:23:04 – 00:30:19)
Jazz und Zeitgeschichte: in den USA Musik der Gegenkultur vor allem nach 1960 – in Westdeutschland vor allem zwischen 1945 und 60. Wie geht das zusammen?
- Rolling Stones: Satisfaction
(00:30:20 – 00:33:41)
Jazz und Adornos Vorwurf seiner Warenförmigkeit: Von ‚Gefühl und Härte‘ zum ‚Gewühl bei Hertie‘
- Miles Davis: Bitches Brew (from: Bitches Brew – Album)
- Peter Brötzmann: The Fat is gone
(00:33:42 – 00:37:20)
Jazz in den USA als soundtrack der afroamerkanischen Emanzipation
(00:37:21 – 00:50:40)
Jazz in Westdeutschland und die „Afro-Amerikanophilie“ (Moritz Ege)
- Charlie Parker: Now’s the time
- Carl Orff: Die Bernauerin – Intrade
(00:50:41 – 00:56:21)
Der Gestus des Jazz und Improvisation als demokratische Musik?
(00:56:22 – 01:01:44)
J. E. Berendt als Popularisierer des Jazz als E-Kultur
(01:01:45 – 01:16:51)
Wie politisch können Klänge sein? Warum gilt das Saxophon als „Megaphon der Seele“ (Archie Shepp)?
- Pharaoh Sanders: You’ve got have freedom (from: Africa)
- John Coltrane: Alabama
- Max Roach/Abbey Lincoln: Freedom Day
- Ernst Ludwig Petrowsky: Ballade
(01:16:52 – 01:18:41)
Abmoderation: FC Delius und die „Zukunft der Schönheit“
- Albert Ayler: Initiation
Stephan Braese, Jahrgang 1961, seit 2009 Ludwig-Strauss-Professor für Europäisch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte an der RWTH Aachen. Monografien: Das teure Experiment. Satire und NS-Faschismus (Opladen 1996); Die andere Erinnerung. Jüdische Autoren in der westdeutschen Nachkriegsliteratur (Berlin 2001); Eine europäische Sprache. Deutsche Sprachkultur von Juden 1760–1930 (Göttingen 2010); Jenseits der Pässe. Wolfgang Hildesheimer. Eine Biographie (Göttingen 2016).
Peter Kemper, Jahrgang 1950; von 1981 bis 2015 Kulturredakteur beim Hessischen Rundfunk; Kurator beim Deutschen Jazzfestival; Mitglied der Jury beim Preis der deutschen Schallplattenkritik; Bücher in Auswahl: Alles so schön bunt hier. Die Geschichte der Popkultur von den Fünfzigern bis heute (Ditzingen 2003); John Lennon. Leben, Werk, Wirkung (Berlin 2007); John Coltrane (Stuttgart 2017); Helge Schneider (Stuttgart 2018); Eric Clapton. Ein Leben für den Blues (Stuttgart 2020).


Im Storyville (Stiftstr. 8–10, Frankfurt) um 1960. Copyright: Rolf Seubert (mit Agfa Record 1000 ASA)