Vortrag

13. November 2025
12:00 – 14:00 Uhr
AH-D 108 (Johann-Moritz-Quartier)

Im November ist Prof. Dr. Ulrike Zitzlsperger (Univer­sity of Exeter), Fellow der CRG „Das Buch der Etikette“, zu Gast in unserem Plenum und hält einen Vortrag mit dem Titel „Gute Sitten und Common Decency: Etikette in Zeiten des Übergangs“.

1926 schreibt Emma Kallmann im Vorwort zur Neu­auflage von Der gute Ton, es bestehe, die Not­wendig­keit, von Zeit zu Zeit mal wieder neuere Gesetze des guten Tons zur Veröffent­lichung zu bringen, sowie ältere, bereits beste­hende, dem Zeit­geist ange­messen zu erwei­tern – sozu­sagen zu ‚moder­nisie­ren‘. Ein solcher Ansatz wurde nur einem Teil der Gesell­schaft der zwanziger Jahre gerecht. In Berlin und London formierten sich Gruppen, die anders auf diesen Zeit­geist reagierten und den Bruch mit eta­blierten Normen für ihre Zwecke zu nutzen wussten. Während in England der Hedonis­mus der Bright Young Things von der Aufmerk­samkeit der Medien profi­tierte, wurde der Bruch mit den Tabus, die mit der Vor­kriegs­zeit assoziiert wurden, in Deutsch­land in Veröffent­lichungen wie etwa Curt Morecks Best­seller Führer durch das laster­hafte Berlin nach­voll­ziehbar. Themen, die von den unter­schied­lichsten Veröffent­lichungen aufgegriffen wurden, stehen im Kontext neuer Lebens­entwürfe: dazu gehören die erst durch die Medien bekannt gewordene „Neue Frau“ (mitsamt der dazu­gehöri­gen Körper­kultur) und der nun weiteren Gesell­schafts­kreisen zugäng­liche Touris­mus (und der dazu­gehö­rige Verhal­tens­kodex). Das Neben­einander von eta­blierten Rat­gebern und popu­lären Veröffent­lichungen, die über ein Regel­werk hinaus­gehen, erlauben dann Rück­schlüsse auf Themen, die zumin­dest in den Metro­polen mehr und minder produk­tive Diskus­sionen aus­lösten.
Der Vergleich der Situa­tion in London und Berlin macht darüber hinaus deutlich, dass Etikette in Über­gangs­zeiten – wie etwa den zwanziger Jahren – zum Maßstab grund­legender Verände­rungen wird. Der Vergleich erlaubt die Berück­sichti­gung trans­natio­naler Unter­schiede und Gemein­sam­keiten, die für den regen Aus­tausch zwischen den Eliten der Metro­polen bestimmend waren.