Hoffmanns „Sandmann“ und der literarische Antisemitismus
Jan Süselbeck im Gespräch mit Jörg Döring
E.T.A. Hoffmanns Schauergeschichte „Der Sandmann“ (1816) ist immer noch ein populärer Text. Nicht unbedingt, weil er so beliebt ist, sondern weil er als literarische Ganzschrift im Deutschunterricht der gymnasialen Oberstufe vieler Bundesländer verpflichtend gelesen wird. Das sichert ihm Beachtung durch viele. Was aber, wenn dieser kanonische Text auch Züge eines literarischen Antisemitismus aufweist? Hat er Anteil an der Erzeugung oder Bestätigung judenfeindlicher Gefühle bei den Lesenden?
Jörg Döring spricht mit Jan Süselbeck über Affect Studies und den Beitrag von Literaturwissenschaft zur Erforschung der Geschichte des modernen Antisemitismus. Über Hoffmanns „Sandmann“ und warum man ihn unbedingt weiter lesen sollte – auch in der Schule.
(00:00:00 – 00:08:13)
Intro: Der Gast und seine Forschung
(00:08:14 – 00:12:07)
Was erforschen die Affect Studies? Wie erzeugen literarische Texte Emotionen?
(00:12:08 – 00:18:50)
Welchen Beitrag leistet die Literaturwissenschaft zur Erforschung der Geschichte des modernen Antisemitismus?
(00:18:51 – 00:22:28)
Wie wichtig ist die Frage, ob der Autor E.T.A. Hoffmann ein Antisemit war?
(00:22:28 – 00:28:47)
In welchem zeithistorischen Kontext entstand und erschien Hoffmanns „Sandmann“ ursprünglich?
(00:28:48 – 00:40:56)
Literarischer Antisemitismus im „Sandmann“?
(00:40:57 – 00:45:34)
E.T.A. Hoffmanns Handzeichnung der Coppelius-Figur
(00:45:35 – 00:53:14)
Zur literarischen Abwehr jüdischer Emanzipation um 1800 und gemischten Gefühlen gegenüber negativen Figuren
(00:53:15 – 00:57:29)
Warum man Hoffmanns „Sandmann“ niemals canceln sollte
(00:57:30 – 01:08:52)
Ein weiterer populärer Autor: Thomas Mann („Tristan“, „Der Zauberberg“, „Wälsungenblut“)
(01:08:53 – 01:12:02)
Schluss: Was bedeuten Praktiken der Mündlichkeit für geisteswissenschaftliches Arbeiten?
Jan Süselbeck ist seit 2021 Professor für deutschsprachige Kulturstudien an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) in Trondheim. Er studierte und promovierte an der Freien Universität Berlin, anschließend war er ab 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philipps-Universität Marburg. 2012 habilitierte er sich dort mit einer Studie zu den emotionalen Effekten literarischer und audiovisueller Kriegsdarstellungen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Ab Mai 2012 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter, zeitweise auch als Vertretungsprofessor, an der Universität Siegen tätig. Von 2015 bis 2020 lehrte er als Associate Professor of German Studies auf einer vom DAAD geförderten Stelle der University of Calgary in Alberta, Kanada.
Jan Süselbecks Forschungsschwerpunkte sind Emotionsforschung, Repräsentationen des Krieges, Literarischer Antisemitismus, Literatur nach Auschwitz, Generation Studies, Gegenwartsliteratur, Literaturvermittlung in den Medien, Film- und Theaterwissenschaft. Jüngere Buchveröffentlichung: Stefanie Schüler-Springorum und Jan Süselbeck (Hg.): Emotionen und Antisemitismus. Geschichte – Literatur – Theorie. Göttingen 2021.