Augenmaß. Zur Ästhetik politischer Entscheidung
Christian Metz im Gespräch mit Jörg Döring und Maren Lickhardt
Problematisch populär sind in der politischen Kommunikation Sprachbilder, die das Sehen thematisieren: „mit Weitblick“ handeln, „umsichtig“ sein, „auf Sicht fahren“, „nur geradeaus schauen“. Besonders beliebt ist seit Max Webers Politik als Beruf (1919) die Rede vom politischen Handeln „mit Vernunft und Augenmaß“. Über „Vernunft“ sind schon regalmeterweise Abhandlungen geschrieben worden. Vom „Augenmaß“, das Politiker so gern sich selbst attestieren, handelt jetzt das neue Buch Augenmaß. Zur Ästhetik politischer Entscheidung (Berlin: Matthes & Seitz 2025) des preisgekrönten Literaturwissenschaftlers Christian Metz. Was er vorlegt, ist – wie er es nennt – eine „Kulturpoetik des politisch Plausiblen“.
Jörg Döring und Maren Lickhardt sprechen mit ihm über die Ästhetik von Angela Merkels Selbstinszenierung, über Augenmaß als Ethosformel, über Bettine von Arnims Stickereien, über Sulzers Genie-Ästhetik der Freihand-Zeichnung mit Augenmaß, über Kants Erstaunen über die Schweizer Gebirgskinder, über Clausewitz’ Augenmaß in der Kriegskunst, über Max Webers Bohren harter Bretter, über Robert Habecks Instagram-Inszenierung als politischer Entscheider am Küchentisch.
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Intro: Der Gast und sein Buch
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Ein Buch über Augenmaß im Zeitalter der politischen Disruption?
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Was macht die Rede vom Handeln „mit Augenmaß“ so attraktiv für die politische Kommunikation?
(00:12:14 – 00:18:13)
Wie entfaltet sich die Schönheit von Angelas Merkels Selbstinszenierung?
(00:18:13 – 00:20:20)
Was heißt Ethosformel?
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Das Augenmaß als Körpertechnik
(00:23:33 – 00:26:33)
Was meint „Genealogie“ des Augenmaßes?
(00:26:33 – 00:31:57)
Was hat weibliche Handarbeit „mit Augenmaß“ um 1800 mit Geschlechterzuschreibung zu tun?
(00:31:57 – 00:36:57)
Das geistige Sehen des Genies bei Sulzer
(00:36:57 – 00:41:16)
Was erstaunt Kant an den Schweizer Kindern?
(00:41:16 – 00:46:23)
Augenmaß auf dem Feldherrnhügel und mitten im Schlachtgetümmel (Clausewitz)
(00:46:23 – 00:53:07)
Webers Prunkzitat: Von den drei Eigenschaften des Berufspolitikers
(00:53:07 – 00:58:47)
Mit Robert Habeck im sozialmedialen Maschinenraum des Entscheidens
(00:58:47 – 01:04:29)
Zum Klappentext: „Die Rhetorik des Augenmaßes entfaltet ihr Gift tröpfchenweise“
(01:04:29 – 01:07:37)
Schluss: Was bedeuten Praktiken der Mündlichkeit für geisteswissenschaftliches Arbeiten?
Christian Metz, 1975 geboren, ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der RWTH-Aachen; Literaturkritiker für die F.A.Z., den Deutschlandfunk und 3sat. 2020 wurde er mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet. Forschungsschwerpunkte: Narratologie, Literatur- und Medientheorie, Gegenwartsliteratur, Gefühls- und Empfindungskulturen im Aufeinandertreffen von Literatur, Biologie und Philosophie. Jüngste Buchveröffentlichungen: Poetisch Denken. Die Lyrik der Gegenwart (2018), Kitzel. Genealogie einer menschlichen Empfindung (2020), Beugung. Poetik der Dokumentation (2020).