Geschichte als Ressource - Histo­ri­sche Compu­ter­spiele (2023)

Der Spieleentwickler Alexander Flegler zur Rolle geschichtswissenschaftlicher Expertise bei der Produktion von digitalen Historienspielen

Von der Entwicklung erster komplexerer digitaler Spiele an ist die Geschichte für Spieleentwickler:innen ein attraktives Reservoir an bereits populären und gleichzeitig lizenzfreien Themen, Bildern und Erzählungen (Schwarz 2020, S. 25f.). Digitale Spiele nutzen Bestände historischen Wissens und setzen diese in vielfältiger Weise im Spannungsfeld zwischen Unterhaltungsmedium, Kunstprodukt, Wissensdiskurs und Wirtschaftsgut um.

Obwohl die Herstellerseite bei der Bewerbung ihrer Titel gerne auf den immensen Aufwand historischer Recherche hinweist, den man betrieben habe, ist von außen betrachtet oft unklar, wie genau der Prozess der Recherche und Umsetzung der genutzten Geschichtsbilder in der Spieleproduktion abläuft. Die Frage, welchen Anteil wissenschaftliche Expertise bei der Entwicklung populärer digitaler Spiele und der Popularisierung von Geschichtswissen im 20. und 21. Jahrhundert ausmacht, ist noch weitgehend unbeantwortet. Um dem nachzugehen, wurde im Rahmen des Workshops Consulting Scholars am 7. September 2022 eine Diskussion mit dem Spieleentwickler Alexander Flegler geführt.

Alexander Flegler arbeitet als Creative und Art Director beim Spieleentwicklungsunternehmen Forgotten Empires LLC, wo er sich um die kreative Leitung von Grafik- und Gamedesign aller Age of Empires-Projekte des Entwicklerstudios kümmert. Bei dem Unternehmen handelt es sich um einen unabhängigen Spieleentwickler, der vor allem Erweiterungen für Spiele der Age of Empires-Reihe produziert wie etwa Age of Empires II: Definitive Edition – Dynasties of India (2022) oder Age of Empires III: Definitive Edition – The African Royals (2021). Gleichzeitig ist Flegler ein selbstständiger Spieleentwickler und arbeitet unter anderem an einem historischen Indie-Aufbaustrategiespiel mit dem Titel Elaborate Lands.

Sein Interesse für Spiele mit historischen Settings kommt nicht von ungefähr. Flegler hat Geschichte studiert – an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg –, neben Mathematik und Erziehungswissenschaften. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit historischen Fragen hat ihn zusammen mit einer Faszination für die Vergangenheit dazu bewogen, diese Verbindung auszuloten, unter anderem im Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele, dessen Gründungsmitglied er ist.

Der nachfolgende Text beruht auf einem längeren Gespräch, dass Tom Pinsker und Milan Weber am Tag vor dem Workshop mit ihm geführt haben. Zu den Kernthemen gehörten die Rolle geschichtswissenschaftlicher Expertise bei den Projekten von Forgotten Empires, in der Spielebranche generell und Fleglers Arbeit an Elaborate Lands.

Historische Wissensbestände bei Forgotten Empires LLC: Recherche und Umsetzung

Forgotten Empires LLC hat grundsätzlich den Anspruch, in der Spieleproduktion Erkenntnisse aus der Geschichtswissenschaft zu nutzen. Am Anfang des Recherche- und Implementierungsprozesses steht jedes Mal die Auswahl von historischen Themen. Dabei wird in der Regel der Blick auf aktuelle populäre Trends oder ‚unverbrauchtes‘ Material gelegt. Daran schließen Überlegungen an, wie die möglichen Themen in die Anforderungen eines Spiels so übersetzt werden können, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten gut unterhalten fühlen.

Das Team recherchiert gemeinsam, wie die verschiedenen historischen Fraktionen der Age of Empires-Reihe gestaltet werden sollen [1]. Manche Mitglieder dieses Teams haben ähnlich wie Flegler einen geschichtswissenschaftlichen Hintergrund. Im Fokus stehen vor allem die Rekonstruktion der Objektkultur und soziale Praktiken der ausgewählten Epoche und Zivilisation beispielsweise in Form von markanten Architekturstilen oder der Aussprache von Namen.

Gerade bei diesen beiden Aspekten ist dem Team wichtig, dass die anderen Bereiche der Spieleproduktion wie das Grafikdesign das recherchierte Material möglichst detailgetreu umsetzen und nicht nur als Inspirationsquelle nutzen. Denn es ist gerade die wissenschaftliche Expertise, die eine angemessene Repräsentation aktuell gesellschaftlich sensibler Themen sicherstellen soll. Wichtigstes Anliegen ist und bleibt jedoch das Ziel, Material zu sammeln, das dem Charakter des digitalen Spiels als Unterhaltungsmedium gerecht wird. Das ist den Mitgliedern des Teams während der Arbeit stets präsent, wenn etwa für die Kampagnen historische Persönlichkeiten oder Bereiche aus deren Leben ausgewählt werden, mit denen sie eine unterhaltsame Narration entwickeln können.

Wie geht man aber mit Phänomenen um, die noch nicht so weit erforscht sind, dass sich alle Fragen beantworten lassen? Dieses Problem tritt häufig auf, wenn für die Kampagnen eine Narration realhistorischer Ereignisse entworfen werden soll. Bei weniger kleinteiligen Themen wie Architekturstilen oder Gesellschaftsformen ganzer Zivilisationen orientieren sich Entwicklungsteams in solchen Fällen an ähnlichen Beispielen, die historisch besser verbürgt oder aufbereitet sind.

Es kann auch sein, dass die Anforderungen und Logiken eines Spiels das Team dazu zwingen, hinsichtlich der Wissenslücken ‚kreativ‘ zu werden. Ein Beispiel wäre die Inszenierung von Gesellschaften, in denen Seefahrt eher eine marginale Rolle gespielt hat, die aber als Fraktion in einem Spiel aus Gründen der Spielbarkeit unter allen Bedingungen ebenso maritime Einheiten und Gebäude braucht. In diesen Fällen füllen die Teammitglieder die Leerstellen mit eigenen Ideen.

Exemplarisch kann der Rechercheprozess und die Umsetzung wissenschaftlicher Expertise an der Erweiterung United States Cilization veranschaulicht werden, die für die Age of Empires III: Definitive Edition 2021 veröffentlicht wurde. Sie fügt dem Spiel die Vereinigten Staaten von Amerika als spielbare Fraktion hinzu. Zu Beginn stand die Anforderung, mit der Erweiterung neue Aspekte ins bestehende Spiel einzubringen. Gleichzeitig sollte sich die Fraktion der Vereinigten Staaten von Amerika durch spezifische Spielmechaniken von bisherigen Fraktionen unterscheiden.

Dafür wurden die bei den bisherigen Fraktionen üblichen generischen Figuren, die als Bonus bei einem Zeitalterfortschritt gewählt werden konnten, durch die Option der Wahl verschiedener realhistorischer Bundesstaaten der USA ersetzt. Diese brachten wiederum spezifische Boni mit sich, die auf bestimmten Kontexten in der Geschichte dieser Staaten beruhten. Das schlug sich auch noch anders im Spiel nieder, erschienen doch die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in den einzelnen Staaten und vor allem deren Migrationsgeschichten aus Amerika, Afrika und Europa.

Das sollte für Abwechslung beim Spielen sorgen und gleichzeitig das Bild der USA als ethnisch diverse Gesellschaft betonen. Dementsprechend recherchierten die Teammitglieder in akademischen wie nichtakademischen Bereichen die bekannten Details, die dann die Darstellung inspirierten. Konkret reichte das von der Internetrecherche über Quellen und wissenschaftliche Forschungsliteratur bis hin zu popkulturellen Inszenierungen der Thematik. Das Team zog bewusst populäre Darstellungen wie die Wikipedia oder erfolgreiche Filme heran, um einer bestehenden Erwartungshaltung der Konsumentinnen und Konsumenten entgegenzukommen und sie auf ihrem Kenntnisstand oder dem Wissen, das sie sich leicht aneignen konnten, abzuholen. Die unterschiedlichen Abteilungen wie Grafik- und Spieldesign bedienten sich dann des recherchierten Materials, wobei prinzipiell nichts davon tatsächlich exakt und vollständig ins Spiel gelangte. Vielmehr erfolgte immer eine Anpassung, um eben ein stimmiges, für Spielende gut funktionierendes Unterhaltungsmedium zu entwerfen.

Ob das Recherchematerial generell eher als Reservoir für Inspirationen oder als klarer Rahmen bei der Umsetzung genutzt wird, hängt stark von der jeweiligen Abteilung ab, die darauf zugreift. Bei Forgotten Empires ist es für die Abteilung Grafik- und Spieldesign eher ein Pool an Ideen, da für sie eine zu starke Orientierung am historischen Vorbild nicht förderlich ist für Kreativität und ein unterhaltsames Spielerlebnis.

Für das Kampagnen-Team wiederum geben die historischen Wissensbestände stärker den Rahmen vor, da hier konkrete historische Ereignisse und Abläufe nacherzählt werden. Für alle Bereiche ist aber die Frage zentral, was sich überhaupt sinnvoll in das zu produzierende digitale Spiel, dessen Spielmechaniken und das vorgegebene Genre übersetzen lässt. So kam, als für die 2020 erschienene Age of Empires III: Definitive Edition die Inka als neue Fraktion ergänzt wurden, die Idee auf, dieser Fraktion einen Bonus in Bezug auf das Bevölkerungslimit pro Wohnhaus zu geben. Dafür dienten historische Langhäuser im Inka-Reich als Inspiration. Letztlich kam das Feature jedoch nicht ins Spiel, da bereits eine andere Fraktion einen derartigen Vorteil besaß.

Die Selbstwahrnehmung des Creative und Art Director mit geschichtswissenschaftlichem Hintergrund

Als Creative und Art Director überblickt Alexander Flegler den gesamten Prozess der Spieleproduktion und die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen. Das Wissen aus dem eigenen Geschichtsstudium ist in der Arbeit präsent, vor allem die Auffassung von Geschichte nicht als Aneinanderreihung von objektiv feststellbaren Fakten, sondern als immer wieder neu ausgehandeltes multiperspektivisches Konstrukt. Immer wieder ist die Frage zu beantworten, welche Designentscheidungen welche Geschichtsbilder hervorrufen. So sind die Spiele der Age of Empires-Reihe als Strategiespiel mit Aufbauelementen angelegt: Spielende entwickeln die jeweils gewählte ‚Zivilisation‘, entwickeln sie technologisch weiter, bevor sie in den meist kriegerischen Wettstreit eintreten. Diese Aufbauentwicklung setzt die Deutung von Geschichte als Fortschrittserzählung um, die in der Geschichtswissenschaft längst überholt ist.

Prinzipiell neigen bestimmte Genres von digitalen Spielen dazu, eher bestimmte Perspektiven auf Bereiche von Geschichte wie Militär-, Mikro- oder Sozialgeschichte zu legen. Die unterschiedlichen Genres bestimmen nämlich, welche Perspektive die Spielenden einnehmen können und geben Spielmechaniken vor, was sich unmittelbar auf die Möglichkeiten auswirkt, den historischen Kontext komplex oder eben stärker reduziert darzustellen.

Zwar ist den Entwicklerinnen und Entwicklern bei der Spieleproduktion die Tatsache bewusst, dass Geschichte konstruiert, das Resultat von Aushandlungsprozessen einer bestimmten Zeit ist, vor allem im Recherche-Team, doch führt die Arbeit mit den anderen Abteilungen und deren Vorgaben hinsichtlich des Spieldesigns dazu, dass sich eine solch differenzierte Sicht nicht oder nur in geringem Umfang umsetzen lässt. Daher kann man vom Endprodukt auch nicht auf das Geschichtsbild einzelner Entwicklerinnen oder Entwickler schließen. Wichtig ist, wie markante Erkennungsmerkmale von Epochen und Zivilisationen interessant und ansprechend in ein Spiel übersetzt werden und populäre Assoziationen wecken.

In Age of Empires II verfügt etwa die Fraktion der Franken [2] über bestimmte Boni, die an ihre Ritter und Burgen gekoppelt sind, damit es für die Spielenden einen Anreiz gibt, beim Spiel mit der entsprechenden Fraktion verstärkt auf diese militärischen Einheiten und Gebäude zu setzen. Diese Repräsentation der Franken als Gesellschaft aus in Burgen lebenden Rittern soll das Gefühl steigern, in diese Epoche eintauchen zu können. Genau zu dem Zweck kommen bestimmte Formen der Darstellung etwa einer Burg oder eines berittenen Kämpfers zum Einsatz, um bereits bestehende populäre stereotype Vorstellungen vom westeuropäischen Mittelalter zu aktivieren. Das Medium will in erster Linie unterhalten, nicht den Anspruch auf eine Form der Wissensvermittlung für sich erheben. Die Spiele können natürlich sehr wohl eine Art Ausgangspunkt für eine weitere Beschäftigung außerhalb des Spiels sein.

Wie es wirklich gewesen ist - Erwartungshaltung und Reaktion der Spielenden

Das Interesse der Zielgruppe von Forgotten Empires ist sehr groß, was die Einbindung und Übersetzung von wissenschaftlichen Perspektiven auf Geschichte betrifft. Hierunter verstehen die Spielenden einen Anspruch der möglichst detailgetreuen Rekonstruktion von Objektkulturen in Form von Waffen und Rüstungen. Bei den Titeln der Age of Empires-Reihe gibt es zudem die Besonderheit, dass die in den Kampagnen inszenierten historischen Persönlichkeiten möglichst den Geschichtsbildern der Gesellschaften entsprechen müssen, in denen sie geschichtskulturelle Bedeutung als Nationalhelden besitzen und in mythischen nationalen Erzählungen eingebunden sind. Aus ökonomischen Gründen gilt es solche Thematiken sensibel anzugehen, um gleichermaßen lokale Befindlichkeiten zu bedienen und überregionale Märkte zu erschließen [3].

Elaborate Lands - Produktion eines digitalen Spiels mit historischem Setting

Bei dem von Alexander Flegler unabhängig entwickelten und sich noch in Produktion befindenden Titel Elaborate Lands handelt es sich um ein Aufbaustrategiespiel, in dem die Spielenden die Kontrolle einer historischen Zivilisation aus einer Vogelperspektive übernehmen. Im Gegensatz zu Titeln wie der Civilization-Reihe steht nicht der Konflikt mit anderen Fraktionen im Vordergrund, sondern der Aufbau eigener Städte. Das historische Setting ist ein unspezifisches Mittelalter, das nicht konkret verortbar sein soll, sondern als grobe Kulisse dient. Auch wenn die historische Tiefe des Spiels oder der geschichtswissenschaftliche Forschungstand aktuell nicht im Fokus stehen, kann sich das in der weiteren Entwicklung durchaus noch ändern.

Die Wahl eines historischen Settings bietet den Vorteil, dass es den Spielenden durch die Aktivierung populärer Geschichtsbilder Orientierung verschafft, beispielsweise in Form der ‚mittelalterlichen‘ Waren wie groben Bausteinen oder in Fässern gelagertem Bier. Durch dieses Wiedererkennen können die Spielenden die Funktionsweisen der einzelnen Spielelemente im Gameplay einfacher durchschauen und durch Assoziationsketten zuordnen. Gleichzeitig setzt der Verweis auf realhistorische Begebenheiten und eine mögliche zeitliche und räumliche Verortung der kreativen Entwicklung einen einschränkenden Rahmen.

Die präsentierten Geschichtsbilder können Konsumentinnen und Konsumenten auch irritieren. Besonders die Inszenierung der verschiedenen geplanten Fraktionen als realhistorische Zivilisationen ist ein sensibles Terrain, denn Spielende könnten von ihnen auf eine scheinbar historisch gewachsene ‚Natürlichkeit‘ von modernen Gesellschaften schließen. Daher müssen Zugeständnisse gemacht werden, was aber insofern keine Schwierigkeit darstellt, da kein Lernmittel, sondern ein faszinierendes Spiel geschaffen werden soll, das sich im Spannungsfeld zwischen Unterhaltungsmedium, Kunstprodukt und Wirtschaftsgut bewährt.

Die Recherche zu historischen Themen erfolgt aktuell noch als Internetrecherche, wobei der Fokus auf bekannten Aspekten aus Wirtschafts-, Kultur- und Sozialgeschichte liegt, die sich unterhaltsam in ein Spiel aus dem Genre eines Aufbaustrategiespiels umsetzen lassen. Beispielsweise könnten bei der Darstellung einer irisch-gälischen Kultur Klöster eine besondere Rolle für das Gameplay spielen, die Flegler aus dem eigenen Geschichtsunterricht noch gut in Erinnerung hat. Die vielen Menschen bekannten keltischen Kreuze wären dann markante Objekte, mit denen sich diese Kultur gut visualisieren und die populäre Vorstellung hierzu aktivieren ließen.

Geschichte als Ressource für Entwicklungsstudios

Viele der beschriebenen Prozesse bei Forgotten Empires und zu Elaborate Lands treffen auch auf den Rest der Branche zu. In der Regel werden historische Themen nach ihrer Popularität ausgewählt oder als unverbrauchte Settings mit dem Reiz des Neuen oder Anderen vermarktet. Entsprechend oft tauchen beliebte Themen der Populärkultur fast zeitgleich in verschiedenen Spielen und Medien auf. Das gilt vor allem für größere und mittelgroße Produktionen für den Massenmarkt. Nischentitel dagegen, darunter auch sogenannte Serious Games mit historischen Settings wie etwa Through the Darkest of Times (2020), stellen durch den bewussten Anspruch auf Wissensvermittlung eine Ausnahme dar und widmen sich oft anderen historischen Themen. Die meisten Entwicklungsstudios halten sich zudem von sensiblen Themen fern. Denn oft ist eine angemessene Inszenierung aufwendig, so dass das ökonomische Risiko steigt, einen Flop finanziert zu haben.

In der Recherche liegt der Fokus auf historischen Themen, die sich einfach in Audiovisualisierung, Gameplay und eine Erzählung übersetzen lassen. Für die Audiovisualisierung ist das die materielle Kultur einer Epoche oder Gesellschaft in Form von Waffen, Rüstungen oder Architekturstilen. Makrohistorische Perspektiven auf Themen wie Wirtschaft, Religion oder Kultur sind besonders beim Design des Gameplays relevant, während sich für die Gestaltung der Erzählung oder Narration eines Titels oft das Leben populärer historischer Persönlichkeiten anbietet. Ökonomische Gesichtspunkte wie die Kosten eines Recherche-Teams oder professioneller Berater:innen aus Geschichtswissenschaft oder anderen Disziplinen setzen natürlich dem Umfang und der Tiefe der Einbindung wissenschaftlicher Expertise klare Grenzen.

Bei der Übersetzung von historischem Wissen in ein digitales Spiel ist der Anspruch, den Stand der wissenschaftlichen Forschung widerzuspiegeln, bestenfalls einer unter vielen und einflussreicheren anderen. Spezifische Sensibilitäten verschiedener Gesellschaften oder Altersfreigaben, Befindlichkeiten der Zielgruppen und ökonomische Verwertbarkeit sind weitere Rahmenbedingungen, die sich auf die inszenierten Geschichtsbilder auswirken. Letztlich geht es bei der Produktion eines digitalen Spiels mit historischem Setting nicht ohne geschichtswissenschaftliche Expertise in irgendeiner Form. Das digitale Spiel als populäres Medium ist aber nicht in erster Linie auf die Repräsentation wissenschaftlichen Wissens ausgerichtet, sondern auf die Inszenierung des Populären.

Literatur

Schwarz, Angela: Quarry – Playground – Brand. Popular History in Video Games, in: Lorber, Martin/Zimmermann, Felix (Hrsg.): History in Games. Contingencies of an Authentic Past, Bielefeld 2020, S. 25-47.

Schwarz, Angela: Geschichte in digitalen Spielen. Populäre Bilder und historisches Lernen, Stuttgart 2023.

[1] Die Kampagnen sind seit dem Beginn der Reihe ein fester Bestandteil der Age of Empires-Serie. In ihnen werden über mehrere Missionen verschiedene historische Erzählungen inszeniert. Im diesbezüglich umfangreichsten zweiten Teil der Reihe fokussierte man sich auf Geschichten historischer Persönlichkeiten, die bereits durch andere popkulturelle Inszenierungen popularisiert wurden, zum Beispiel Dschingis Khan, Jeanne d’Arc oder Jan Žižka.

[2] Die Franken stehen dabei nicht nur für die unter Chlodwig geeinten germanischen Stämme, sondern ebenso für das spätere westfränkisch-französische Reich des hohen und späten Mittelalters. Das ostfränkische Reich, das später als Heiliges Römisches Reich bekannt werden sollte, wird im Spiel von der Fraktion der Teutonen repräsentiert.

[3] Durch diesen Versuch international verschiedene Gruppen von Konsumentinnen und Konsumenten zu gewinnen, geraten die Spiele in ein Spannungsverhältnis. Einerseits simplifizieren und brechen digitale Spiele die Vergangenheit auf einige wenige Topoi, Narrative, Bilder und Stereotype herunter, die weltweit erkenn- und verstehbar sind. Und gleichzeitig richten sich Teile ihrer Darstellung von Geschichte dezidiert an bestimmte Gruppen, etwa eine Nation, ein soziales Milieu oder Personen verschiedener geographischer Herkunft. Hier reihen sich die Produkte von Forgotten Empires in einen global zu beobachtenden Prozess ein, der digitale Spiele allgemein betrifft (Schwarz 2020, S. 27).