Das Populäre der Anderen – Vulgarität im Ausgang der Vormoderne. Figuren – Praktiken –Bewertungen
B04 Populäres Mittelalter: Narrative und Inventare in der Fantasyliteratur
C03 Das „Populäre der Anderen“: Das Vulgäre zwischen Normativität und Zuschreibung
CRG Zuschreibungspraktiken und -logiken in Popularisierungsprozessen
21. – 23. November 2023
Ort: AH-A 217/218
Organisation und Kontakt:
Prof. Dr. Michael Multhammer
(Neuere deutsche Literaturwissenschaft)
multhammer@germanistik.uni-siegen.de
Prof. Dr. Joseph Imorde
(Kunstgeschichte)
imorde@kh-berlin.de
Prof. Dr. Hans Rudolf Velten
(Ältere deutsche Literaturwissenschaft)
velten@germanistik.uni-siegen.de
Populär ist, was bei vielen Beachtung findet. Diese Grundüberlegung des Siegener SFB 1472 ‚Transformationen des Populären‘ soll auch als Ausgangspunkt dieser Tagung dienen, die jedoch weniger die wünschenswerte Beachtung selbst und das Verhältnis zu ihr in den Blick rückt, sondern deren abzulehnende Kehrseite im Sinne tatsächlich statthabender und zugleich unerwünschter Beachtung. Dementsprechend stellt sich die Frage: Was passiert, wenn Beachtungserfolge und dasjenige, worauf sie gründen, von normativen Instanzen und Wächtern des kulturellen Lebens (Gatekeeper wie etwa Kenner, Kritiker, Verleger, etc.), als minderwertig, und am Ende gar völlig unerwünscht angesehen werden? Wie sind Artefakte, kulturelle Strömungen, politische Meinungen zu klassifizieren, die nachweislich große Beachtung finden – mithin also alle Kriterien, populär zu sein, erfüllen –, gleichwohl aber von meinungsbildenden Instanzen im öffentlichen Raum abgelehnt werden oder als abzulehnen vorgestellt werden, zu bewerten?
Dergestalt soll ein zentraler Begriff in den Fokus rücken, der unerwünschte Popularität im Sinne einer doppelten Wertung diskreditiert: das Vulgäre. Doppelt ist diese Wertung insofern, weil sie immer eine sowohl ästhetische wie auch moralische Stoßrichtung besitzt. Vulgäres wird nicht nur aus einer kunstkritischen Warte häufig als minderwertig angesehen (zunächst ist ganz gleich, welche inhaltlichen Argumente dazu gebraucht werden), sondern zugleich ist es auch moralisch verdächtig – das Vulgäre gerät mithin immer auch in den Verdacht, unsittlich und der Moral schädlich zu sein. Beide Seiten des Verdikts fallen sowohl auf die Urheber wie auch Rezipient zurück. In beiden Fällen, ästhetisch wie moralisch, wird – analog zum Begriff des Populären – der Ursprung im (niederen) Volk zum vermeintlichen Maßstab für Minderwertigkeit und Mangel an Niveau und Qualität. Die Abwertung funktioniert über Semantiken der Breite, der Masse, des Wertes und Preises (billig) sowie auch der niedrigen Stellung, dem Ursprung im ‚Gemeinen‘. Diese dem Vulgären, das erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts als französisches Lehnwort im Deutschen Eingang findet, verwandten Begriffe bilden gleichsam den Ausgangspunkt, um über das komplementäre Verhältnis des Populären und des Vulgären im Ausgang der Vormoderne adäquat nachzudenken.
Programm
17:00
Get together
17:30
Joseph Imorde, Michael Multhammer, Hans Rudolf Velten
Begrüßung und Einführung
18:00
Valentin Groebner
Überall hässliche Touristen: Über Distanzierungsbedürfnis
19:30
Gemeinsames Abendessen
09:30
Korbinian Lindel
„Ars popularis“. Eine kunsttheoretische Debatte der Hochaufklärung
10:30
Hans Rudolf Velten
Performative Protoformen des Vulgären: turpiloquium und scurrilitas im Mittelalter bis zu Heinrich Wittenwilers „Der Ring“ (1410)
11:30
Pause
12:00
Lisa Hecht
Von Eulen und Affenhintern – Vulgärer Humor in den Portraits des Heidelberger ‚Hofzwergen‘ Perkeo
13:00
Mittagessen
14:30
Yashar Mohagheghi
Vulgares libri. Der kritische Diskurs um die Popularisierung des Prosaromans
15:30
Roman Widder
Zwei Formen der Vulgarität, drei Formen der Komik: Gryphius’ Absurda Comica Oder Herr Peter Squentz
16:30
Pause
17:00
Michael Multhammer
Zur Komplementarität des Niedrigen und Erhabenen bei Schiller
18:30
Gemeinsames Abendessen
10:00
Martin Mulsow
„Mais que ce ne soit rien de commun, ni de vulgaire!“
Obszönität, Kennerschaft und die Ablehnung des Vulgären von Adriaan Beverland bis August von Sachsen-Gotha-Altenburg
11:00
Jörg Robert
Mist im Sonanzboden – Schillers Poetik des Vulgären
12:00
Pause
12:30
Viktoria Ehrmann
Zu bunt! Literatur- und kunsthistorische Beobachtungen zum Vorwurf der Buntheit (1700/1800/1900) - Erster Teil
13:30
Mittagessen
15:00
Mirja Beck
Zu bunt! Literatur- und kunsthistorische Beobachtungen zum Vorwurf der Buntheit (1700/1800/1900) – Zweiter Teil
16:00
Joseph Imorde: Vulgäre Buntheit. Zur Bewertung farbiger Reproduktionen um 1900
17:00
Pause
17:30
Abschlussdiskussion
18:30
Gemeinsames Abendessen