Ringvorlesung: Populäres Mittelalter
Sommersemester 2023
Mittwoch 10:00 – 12:00 Uhr (c.t.)
Ort: AR-D 5102 (blauer Hörsaal)
Organisation und Kontakt:
Prof. Dr. Hans Rudolf Velten
(Ältere deutsche Literaturwissenschaft)
velten@germanistik.uni-siegen.de
Dr. Theresa Specht
(Ältere deutsche Literaturwissenschaft)
specht@sfb1472.uni-siegen.de
An keiner historischen Epoche scheint die gegenwärtige Populärkultur in vergleichbarem Maße interessiert wie am Mittelalter. In Literatur, Spielen, Musik, Reenactments, Filmen und vielem mehr wird ein Mittelalter inszeniert, das Beachtung von vielen findet. Das Mittelalter ist populär. Doch das Mittelalter, das in der Populärkultur begegnet, ist selten historisch und wissenschaftlich akkurat. In den verschiedenen Formen und Verfahrensweisen der Rezeption und Transformation entsteht „a glourious dream of the Middle Ages as they never were, but as they should have been.“ [1] Losgelöst von der Verpflichtung, das Mittelalter ‚wie es wirklich war‘ darzustellen, lässt sich in der Populärkultur ein fantastic neomedivalism beobachten. [2]
Die Ringvorlesung möchte diesem populären, viel beachteten Mittelalter nachgehen, indem sie Schlaglichter auf die Phänomene und die neomediävalen Aneignungs- und Transformationspraktiken wirft. Diese können beispielsweise sein:
- Rezeption literarischer Stoffe des Mittelalters in (historischem) Roman, Theater, Musik, Kunst
- Aneignung mittelalterlicher Erzählstrukturen (z.B. Quest, âventiure), Figuren (z.B. Ritter, Zauberer), Dingsymbole (z.B. magische Gürtel, Ringe) oder mythischer Kategorien (z.B. Götter, Mythen) uvm. in Einzelwerken oder Werkzyklen
- neomediävale Verfasstheit von Erzähl-/Spiel-Welten als secondary worlds
- Amalgamierungen des Neomediävalen mit zeitgenössischen, populären Diskursen (z.B. gender, class, race)
- Inszenierungen von Mittelalter, bspw. in Form von Reenactment, LARP, Mittelaltermärkten
- Wiederaufnahme von bereits populären Mittelalterbildern, bspw. der Romantik oder des Historismus
- neomediävale Fantasy im Medienverbund
- Inszenierung des Mittelalters in Kinder- und Jugendliteratur sowie deren didaktische Potentiale
- spektakuläre Inszenierung von Beachtungserfolgen neomediävaler Fantasy
[1] So äußerte sich ein Rezensent der New York Times über T.H. Whites Romanreihe The Once and Future King. Zit. n. Brewer, Elisabeth (1993): T.H. White’s The Once and Future King. Cambridge, S. 188.
[2] Eco, Umberto (1986): „Dreaming the Middle Ages“, in: Travels in Hyperreality. Essays., hg. v. Umberto Eco. London, S. 61–72.
Programm
Hans Rudolf Velten/
Theresa Specht (Siegen)
Das populäre Mittelalter
Theresa Specht (Siegen)
Der Fantasyroman als Produkt. Neomediävale Buchgestaltung und ihre Bildästhetik
Rudolf Simek (Bonn)
Vorzeitsagas und ihre Umsetzung in The Norseman
Silvan Wagner (Bayreuth)
„Du bist nicht länger ein Mythos – du fängst an, etwas zu bedeuten.“ Der hybride Mythos Artus in Filmen des 20. und 21. Jahrhunderts
Niels Werber (Siegen)
Midcult? Populärer Realismus und Tolkiens Mittelerde
Felix Sprang (Siegen)
Das Mittelalter als neorealistische Farce: Monty Python and the Holy Grail
Andrea Schindler (Saarbrücken)
Die Sehnsucht nach Avalon. Von Zimmer Bradley bis Lara Croft
Anja Müller (Siegen)
Transformationen mittelalterlicher Texte und Welten im analogen Rollenspiel
Angela Schwarz (Siegen)
Das Mittelalter im Sammelbild. Populäre Motive und Inszenierungsweisen vom 19. Jahrhundert bis ins digitale Zeitalter
Lea Braun (Berlin)
Vom Tellerwäscher zum König der Tafelrunde. Eine intersektionale Perspektive auf den Artusstoff in Kinder-/Jugendliteratur und -medien
Robert Schöller (Bern)
Das Mittelalter im Brettspiel
Helen Young (Melbourne)
Popular Culture, Politics and the Middle Ages
Hans Rudolf Velten (Siegen)
Das populäre Mittelalter im 19. Jahrhundert
Nathanael Busch (Marburg)
Eine Nation von Helden. Eine kurze Geschichte der Nibelungenrezeption