Laien­wis­sen

CRG Cooperative Research Groups

Die CRG fragt am Beispiel der drei Handlungs- und Wissensdomänen ‚Religion / Theologie‘, ‚Medizin / Gesundheit‘ und ‚Kommunalpolitik‘ (speziell ‚Bürgermeisterkommunikation‘) danach, welche Relevanz Selbst- und Fremdzuschreibungen des epistemischen Status ‚Laie / Laiin‘ sowie kommunikativen Praktiken von nicht-professionellen Akteur_innen in den Interaktions- und Diskursdynamiken zukommt, die als ‚Transformationen des Populären‘ im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die CRG zielt darauf, eine interdisziplinäre Heuristik für ‚Laienwissen‘ zu erarbeiten und auf dieser Basis anhand der gemeinsamen Auswertung der empirischen Daten aus den beteiligten Projekten folgenden Fragen systematisch nachzugehen:

  • Wie ist Laienwissen mit Interaktion, sprachlich-semiotischen Oberflächen und Medialitäten der Kommunikation, individuellen und kollektiven Identitäten, sozialen Beziehungen, Macht- und Dominanzverhältnissen verwoben?

  • Wie und mit welchem Ergebnis kommen Laien- und Expertenwissen miteinander in Kontakt, wie werden Wissens- und Perspektivendivergenzen, Kontroversen und Konflikte bearbeitet und welche organisationalen und öffentlichen Dynamiken ergeben sich in den Kontexten der Transformationen des Populären 1. und 2. Ordnung?

  • Wie lassen sich Wissens- und Handlungsdynamiken auf Interaktions- und Diskursebene sozialtheoretisch und empirisch bzw. methodisch zueinander in Beziehung setzen?

Auf dem Gebiet der Bürgermeisterkommunikation (vgl. Habscheid & Vogel 2021) reagieren institutionelle Akteur_innen auf die Herausforderungen der Transformationen des Populären u.a. mit dem Versprechen, Lai_innen intensiver, kleinteiliger und konkreter an der kommunalen Selbstverwaltung zu beteiligen („Partizipation“). Auf diese Weise soll der Zusammenhang von Organisation und Entscheidung mit Interaktion für eine größere Zahl von Bürger_innen direkt erfahrbar werden (vgl. Hausendorf/Bora 2006, Hausendorf 2008). Hierbei sind Wissens- und Perspektivendivergenzen zu überbrücken, auch vor dem Hintergrund soziokultureller Ungleichheit in den Kommunen. Zudem ergeben sich schwierige organisationale Spannungsfelder: Wie alle Organisationen beruhen auch die Organisationen der kommunalen Verwaltung auf einer locker gekoppelten Trias von öffentlicher Selbstdarstellung („Fassade“), (gelebter) formaler Bürokratie („Maschine“) und informeller Interaktion („Spiel“) (Kühl 2020: Kapitel 3). Es ist danach zu fragen, wo und wie die Partizipation von Lai_innen sich in die Organisationen einfügt, wie sie sich vor dem Hintergrund der Spannungsfelder konkret gestaltet und was dies für die Organisationen und individuellen Akteure, speziell die Bürgermeister_innen, im Kontext der Transformationen des Populären bedeutet.

Im Bereich Theologie und Kirche stellt der Fokus auf Laienwissen als Laientheologie – im Gegensatz zu Laienfrömmigkeit – einen auch in der Erforschung der Geschichte des Protestantismus neuen Ansatz dar (vgl. Martin 2018). An Beispielen sog. ‚Erweckungsbewegungen‘ seit dem 19. Jahrhundert (Kuhn/Albrecht-Birkner 2017) werden Dynamiken der Interaktion und des Diskurses zwischen Eliten und Laien im Bereich Theologie und Kirche untersucht. Dabei sind Antworten auf die Frage, mit welchen Argumentationsmustern Laien ihre theologische Wissenskompetenz und Eliten ihr religiöses Deutungsmonopol verteidigten, zu erwarten. Dies betrifft insbesondere die Relevanz des Rekurses auf das allgemeine Priestertum aller Gläubigen (Lovegrove 2002) und verbindet sich mit der Frage, wie auf der einen und der anderen Seite die Wahrung protestantischer Identität beansprucht wird.

Auf dem Gebiet der Medizin wird mindestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eine stärkere Einbeziehung von Lai_innen in Therapieentscheidungen gefordert (Stichworte: informed consent und shared decision making). Gleichwohl erweist sich die Asymmetrie in der Arzt Patient-Interaktion als überaus stabile Formation im modernen Gesundheitswesen (Pilnick/Dingwall 2011). Der Zugang zu medizinischem Wissen durch das Internet hat seit den 2000er Jahren den sogenannten „informierten Patienten“ mit hervorgebracht, der im medizinischen Diskurs teils als Fortschritt, teils als Problem diskutiert wird. Durch Bewegungen wie Quantified Self erzeugen Patient_innen zudem biomedizinischen Sensordaten über sich selbst und diese können in Deutungskonflikte mit der ärztlichen Autorität geraten. Im Zentrum dieses Gebietes steht damit die Frage, welche Formen von Körperwissen auf welche Weise zwischen Patient_innen und Ärzt_innen ausgehandelt werden und wie sich dadurch die Arzt - Patient - Beziehung verändert sowie das Körpererleben der Patient_innen transformiert. Die Fellows sind für die jeweiligen Handlungs - und Wissensdomänen besonders kompetent.

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