Popu­läre Affekte

CRG Cooperative Research Groups

Wenn von Polarisierung oder Populismus, von Spal­tung oder Autori­taris­mus die Rede ist, dann wird dies in den Sozial-, Medien- und Kultur­wissen­schaften häufig mit „Affekten“ in Zusammen­hang gebracht, welche die als proble­matisch erkannte Lage der demo­krati­schen, libe­ralen Gesell­schaften ent­weder zuspitzen oder sogar mit hervor­bringen. In diesem Zusammen­hang erscheinen Emo­tionen oder Affekte meis­tens alle­samt negativ: Zorn, Hass, Ressen­timent, Neid, Groll, Miss­gunst, Wut.
Es ist bemer­kens­wert, wie groß das Interesse der Sozio­logie an Affekten geworden ist und wie sehr dort Auf­schluss über die gesell­schaft­liche Lage erhofft wird. Der sog. affective turn kann insofern als erfolg­reich gelten, als nunmehr nicht nur nach der politi­schen Bedro­hung durch negative Emo­tionen gefragt wird, sondern auch auf den „produk­tiven“ Beitrag von Gefühlen für die Demo­kratie hinge­wiesen wird.
Wie auch immer man die Chancen bewerten mag, die liberale Demo­kratie auf der Ebene entspre­chender Affekte und Emo­tionen zu stabili­sieren und gegen „Hass und Hetze“ zu immu­nisieren, wird man doch konze­dieren müssen, dass Kommu­nikation wohl nicht (immer) affekt­neutral verläuft, auch wenn damit noch nicht bestimmt ist, welche Rolle Affekte in der Gesell­schaft spielen und wie diese Rolle zu unter­suchen wäre.
Für den SFB 1472 stellt es ein Desi­derat dar, die affektive Dimen­sion in den Blick zu nehmen und zu unter­suchen, was seine Heuristik zur Forschung beizu­tragen hätte und, umgekehrt, wie sie weiter­zuent­wickeln wäre. Es steht zu vermuten, dass die aktuelle Hoch­zeit der Affekt­sozio­logie auch Symptom unseres Gegen­stands sein dürfte: Popu­larität und Inten­sität der Affekte steigern sich womöglich wechsel­seitig.

Zusätzlich zu unseren Visiting Fellows Lars Koch und Julia Prager werden am Workshop der CRG im Dezember teilnehmen:
Paula-Irene Villa Braslavsky (München)
Jürgen Brokoff (Berlin, SFB 1171 „Affective Societies“)
Vanessa Grömmke (Bochum, SFB 1567 „Virtuelle Lebenswelten“)
Martin Schäfer (Hamburg, EXC „Understanding Written Artefacts“)